Qualifizieren durch Mikrofortbildungen - Ein niedrigschwelliges und leicht zu implementierendes Instrument, SchulVerwaltung.de
Mit kleinen Schritten großen Veränderungen begegnen: Nicht wenige Lehrkräfte fühlen sich im digitalen Transformationsprozess überfordert und wünschen sich Stärkung und Kompetenzerweiterung im Umgang mit digitalen Medien. Aber auch bereits sehr erfahrene Lehrkräfte berichten von einer so rasanten Entwicklung, dass es kontinuierlicher Aufmerksamkeit bedarf, um am Ball zu bleiben. Hier sind Mikrofortbildungen als ein niedrigschwelliges und leicht zu implementierendes Instrument eine Möglichkeit, Lehrkräfte für veränderten Unterricht zu qualifizieren.

Was sind Mikrofortbildungen?
Unter Mikrofortbildungen sind schulinterne Fortbildungsangebote von Lehrkräften für Lehrkräfte gefasst, in denen Lehrkräfte gegenseitig voneinander und miteinander lernen. Mikrofortbildungen sind teilnehmerorientiert und mit geringem Vorbereitungsaufwand umsetzbar. Damit sind sie ein effektives Mittel, das Kollegium untereinander zu vernetzen und bei der Nutzung digitaler Medien im Unterricht zu unterstützen. Die Vorsilbe »Mikro« lässt sich aus dem geringen Zeitbedarf dieses Formats ableiten, sie dauern in der Regel nur 15 bis 45 Minuten. Da es sich in der Regel um innerschulische Formate handelt, werden sie auch als Mikro-Schilfs bezeichnet.
Mikrofortbildungen im Kontext klassischer Fortbildungsformate
Allgemein sind Lehrkräftefortbildungen u.a. dann wirksam, wenn sie Coaching- und Feedbackmöglichkeiten schaffen, kollegiale Zusammenarbeit ermöglichen oder stärken und eine Verbindung von Input, Erprobung und Reflexion darstellen (Rzejak & Lipowsky, 2019, 135 f.). Mikrofortbildungen sind insbesondere hier besonders effektiv, denn durch den Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen der eigenen Schule ergeben sich immer wieder Möglichkeiten, das Gelernte in den Blick zu nehmen, sich durch gegenseitige Hospitation ein Feedback zu geben und die Umsetzung gemeinsam zu reflektieren.
 
Eine weitere Gelingensbedingung für wirksame Qualifizierung ist eine fachliche und inhaltliche Fokussierung (Lipowsky, 2020). Auch hier können Mikrofortbildungen punkten, da sie sich häufig gezielt mit einer bestimmten Fragestellung auseinandersetzen.

Durch die kurzfristige Anlage und die Bedarfsorientierung werden in Mikrofortbildungen eher aktuelle und anwendungsorientierte Themen behandelt. Um alle Kompetenzbereiche, wie sie im Strategiepapier der KMK (2016) oder im europäischen Kompetenzrahmen DigComp (2017) aufgeführt sind, im Kollegium zu implementieren, benötigt es zusätzlich noch einer übergeordneten, langfristigen Qualifizierungsstrategie, in der auch die Kompetenzen Berücksichtigung finden, die aktuell nicht im Fokus der Bedarfe der Lehrkräfte liegen.

Forschungen zur Wirksamkeit von Lehrkräftequalifizierungen zeigen, dass eine gewisse Bandbreite an Formaten und Lernanlässen und eine Mischung aus externen, institutionalisieren und internen, freien Angeboten die Vielfalt von Lernzugängen und die Vorbereitung auf neue Handlungsfelder und Aufgaben am besten abbildet (Huber, 2009), somit wird auch hier das Argument einer kurz – aber auch langfristigen Qualifizierungsplanung mit interner aber auch externer Expertise und Begleitung bedeutsam.
Unterstützend in der digitalen Transformation
Mit Mikrofortbildungen bekommen Schulen ein flexibles Instrument an die Hand, mit dem aktuell und bedarfsgerecht Wissen und Kompetenzen vermittelt werden können. Es ist besonders in der digitalen Transformation geeignet, da der hohe Qualifizierungsbedarf in der digitalen Transformation durch dieses Format kurzfristig und flexibel aufgegriffen werden kann. Dadurch kann auch der Frage begegnet werden, ob zuerst funktionierende Technologie oder zuerst eine Qualifizierung der Lehrkräfte eine gute Strategie sei.

Das Format ist sowohl geeignet, schnell erste Impulse zu setzen, aber auch fortgeschrittene Anwendungen kennenzulernen. Ein Phänomen von Unterricht mit digitalen Medien ist eine zunehmende Vielfalt und Variabilität der Rollen von Lehrkräften, aber auch der Rollen von Schülerinnen und Schülern. Lehrende beispielsweise übernehmen in Lernprozessen, unterstützt durch digitale Medien, die eher traditionellen Rollen wie bewertend, vortragend oder gestaltend, aber auch fördernde, aktivierende oder mitspielende Rollenanteile (vgl. Reich 2017, S. 17).

Gleichzeitig werden sie aber auch zu Lernenden, die Wissen und Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern übernehmen. Mikrofortbildungen als Peer-to-Peer-Fortbildungen erfordern einen Rollenwechsel. Die Teilnehmer sind Lernende, indem sie sich Wissen aneignen, aber eben auch Lehrende, die Praxiserfahrungen oder Anwendungsbeispiele weitergeben.

Mikrofortbildungen greifen somit auch die Kultur der digitalen Transformation auf. Zudem können Mikrofortbildungen, da sie wenig Infrastruktur erfordern, auch als digitales Angebot konzipiert werden. Auch wenn sich Mikrofortbildungen in der digitalen Transformation besonders eignen, sind sie in ihrer Struktur jedoch themenunabhängig und damit für alle Qualifizierungsbereiche ein geeignetes, flexibles und niedrigschwelliges Format.
Strukturelle Kennzeichen von Mikrofortbildungen
  • Die Rolle des Lehrenden wird von Lehrkraft der eigenen Schule eingenommen
  • meist wird ein Input kombiniert mit praktischem Ausprobieren
  • eher Einzelthemen statt Themenblöcke
  • kurzfristiges Angebot
  • bedarfsorientiert
  • eher informell
  • freiwillig
  • für einzelne Teilnehmer, Kleingruppen oder auch das gesamte Kollegium
  • zugangsoffen, alle können teilnehmen
  • finden vor Ort statt
  • eher von kurzer als langer Dauer (eine Stunde oder weniger)
  • für alle Schulformen geeignet 
Vor- und Nachteile von Mikrofortbildungen
Mikrofortbildungen bieten eine Reihe von inhaltlichen Vorteilen: Da sie in der Regel innerschulische Veranstaltungen sind, kennen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die technische Infrastruktur ihrer Schule. Motivierend kann wirken, dass die Wissensweitergabe auf Augenhöhe angelegt ist und dass die Teilnehmenden aus dem Kollegium kommen. Ein Transfer in die Schulpraxis ist somit leicht möglich, auch dadurch, dass der inhaltliche Rahmen auf die speziellen Bedingungen der Schule Bezug nimmt. Durch die hohe Teilnehmerorientierung und die eher kleine Teilnehmerzahl ist auch eine inhaltliche Differenzierung erleichtert. 

Zu den organisatorischen Vorteilen zählen, dass die Teilnehmenden nicht anreisen müssen, die anbietenden Lehrkräfte haben wenig Vorbereitungsaufwand und müssen nur für ein kurzes Zeitfenster zur Verfügung stehen. Zudem ist, da die Module weniger mit dem gesamten Kollegium, sondern eher mit einem Teilkollegium arbeiten, für die Veranstaltungen in der Regel keine umfangreiche Technologieausstattung notwendig.

Mikrofortbildungen sind ein innerschulisches Format. Der Blick über den Tellerrand, hin zu grundlegenden Veränderungen, fällt durch das Agieren im eigenen System schwerer, als bei einem Input aus einem anderen System heraus, in dem mit einem anderen Kompetenzstand und unter anderen Bedingungen ein anderer Blickwinkel eingenommen werden kann. In Mikrofortbildungen sind die Lehrkräfte sowohl in der Rolle der Lernenden als auch in der der Lehrenden. Dieses Peer-to-Peer-Lernen ist an sich für manche Lehrkräfte ein neues, ungewohntes Format mit ungewohnten Rollen, so dass es eine zusätzliche Herausforderung für Lehrkräfte mit wenig Vorerfahrungen darstellt.

Auch bei Mikrofortbildungen als schulinterne Qualifizierung greift ein generelles Problem, dass bei Inhouse-Formaten die Diagnose von schulischen oder individuellen Problemlagen und damit auch die Formulierung entsprechender Fortbildungsbedarfe unvollständig sein kann (vgl. Terhart, 2000, S. 131). Forschungen zur Wirksamkeit von Lehrkräftequalifizierung haben als zentrale Aspekte die Bedarfs-, Praxis- und Nachhaltigkeitsorientierung identifiziert (Huber, 2009). Hier wiederum schneiden die Mikrofortbildungen besonders gut ab, da sie sich an den Bedarfen eines Kollegiums ausrichten, Platz zum praktischen Handeln bieten und sich auf das konkrete Unterrichtsgeschehen der Schule beziehen. Um ein teilnehmerorientiertes Format zu entwickeln, spielen jedoch nicht nur diese drei Kriterien eine Rolle, sondern es gilt auch als Ausgangspunkt eine auf die Teilnehmer zugeschnittene Planung, die das Vorwissen, die Haltungen, Erwartungen, Ziele und Motivation der Teilnehmenden berücksichtigt (ebenda). Hier sind die eher informellen Mikrofortbildungen nicht die Formate der Wahl, da sie kurzfristig und in der Regel ohne aufwändige Vorbereitung gedacht sind.

Vorher:
Angebot und Qualifizierungswünsche veröffentlichen, zum Beispiel über eine »Biete/Suche«-Pinnwand (Kurskiosk) im Lehrerzimmer

  • Mindestanzahl an Teilnehmenden festlegen
  • Vorgehensweise angeben (z.B. Input, Ausprobieren, Diskutieren, gemeinsam entwickeln)
  • Um das Angebot besser zu verankern und zu steuern, wirkt eine Koordination durch eine Person oder ein Team unterstützend

Nachher:
  • Ergebnisse sichern, beispielsweise über einen analogen oder digitalen Ordner (Padlet, Screencast)
  • Evaluation zur Praxistauglichkeit, Lernerfolgen, Einbindung ins schuleigene Curriculum 
Mikrofortbildungsformate
Beispielhafte Formate: Die Namensgebung orientiert sich hier am Thema digitale Transformation. Die Formate sind grundsätzlich nicht themengebunden, sondern für alle Themen der Schul- und Unterrichtsentwicklung geeignet. Die Angaben zur Dauer sind Richtwerte.
Abb. 1: Beispiele für Mikrofortbildungs-Formate, SchulVerwaltung.de
Abb. 1: Beispiele für Mikrofortbildungs-Formate.

Fazit 
Mikrofortbildungen sind ein niedrigschwelliges und vielseitiges Instrument zur innerschulischen Qualifizierung, mit dem Schulen im Zusammenspiel mit einer längerfristigen Qualifizierungsplanung ein geeignetes Instrument an die Hand bekommen, kurzfristig auf die Fortbildungsbedarfe in einem Kollegium zu reagieren.

Die Autorin:
Dr. Heike Helene Brauer

Niedersächsische Landesschulbehörde, Osnabrück
Hinweis: Fundstück aus der Zeitschrift SchulVerwaltung Niedersachsen 11/2020.

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